Achtsamkeit befreit von Schuld
Achtsamkeit befreit von Schuld
Neben der Angst ist Schuld das Grundgefühl, das deine Lebenssituationen am Stärksten beeinträchtigt. Die Schuld nimmst du direkt wahr, indem du dich für etwas oder jemandem gegenüber schuldig fühlst. Es kommt sogar vor, dass dich jemand von einer Schuld freispricht, du dich aber trotzdem schuldig fühlst. Oder du fühlst dich für etwas schuldig, ohne dass darüber je gesprochen wurde. Da es auch sein kann, dass dir jemand für etwas die Schuld gibt, du dich aber gar nicht schuldig fühlst, erkennst du spätestens jetzt, dass dein Gefühl von Schuld einzig und allein von deinen eigenen Gedanken darüber abhängen muss. Das heißt, niemand kann dich für irgendetwas schuldig machen, es sei denn, du entscheidest dich dafür, selbst schuldig zu sein.
Nun gibt es aber auch noch eine Schuld in dir, die du nicht direkt wahrnimmst. Diese Schuld tarnt sich als irgendeine Emotion, die dich gerade beherrscht. Du reagierst auf jemanden im Außen und beginnst dich beispielsweise zu ärgern. Der Ärger bedeutet dann, dass du gerade jemandem die Schuld gegeben hast. Diese Schuld nimmst du dann nicht in dir wahr, sondern du projizierst sie in Form deines Ärgers nach außen.
Von welcher Schuld du gerade heimgesucht wirst, ob offensichtlich oder als eine andere Emotion getarnt – nehmen wir weiterhin stellvertretend den Ärger, sie entsteht immer dann, wenn du unachtsam bist. Dann bist du dir deiner Gedanken gerade nicht bewusst. Deine unbewussten Gedankenmuster starten in deiner Unachtsamkeit unmittelbar und automatisch und du beginnst die aktuelle Situation, die Person oder dich selbst zu bewerten. Und die Bewertung erfolgt aus deiner Vergangenheit heraus, aus dem was du an Erfahrungen und Erlebnissen in deinem Gedankenmuster abgespeichert hast. Und an diesem Muster hängt nun entweder die alte abgespeicherte Schuld oder der alte Ärger, der automatisch in dir aufsteigt, egal ob es der Situation angemessen ist oder nicht.
Jetzt fragst du dich vielleicht, was hat mein Ärger über jemanden mit meiner Schuld zu tun? Stell dir vor, du hast jemanden bewertet und dein Ärger bestätigt, dass du ein Urteil gefällt und einem anderen die Schuld gegeben hast. Jedoch ist es so, dass du nur über etwas oder jemanden urteilen kannst, wenn du dich selbst schon mal für eine ähnliche Sache verurteilt und dich selbst schuldig gemacht hast. Das ist ganz entscheidend. Hättest du das nicht, würdest du die Schuld nicht kennen und könntest dir in dem Moment kein Urteil bilden, weil die Information dazu in dir gar nicht vorhanden wäre. Die Schuld muss also noch in dir sein, sonst könntest du sie nicht projizieren und einem anderen die Schuld geben. Damit folgt für dich, das Befreien von deinen Schuldgedanken befreit dich nicht nur von deiner Schuld, sondern hilft dir auch, deinen Ärger zu lösen.
Und damit kommen wir zum Kern der Sache. Du hast dich also in deiner Vergangenheit mal schuldig gemacht. Und deine Schuld ist in deinem Unterbewusstsein immer noch vorhanden. Sie wird von deinem Gedankenmuster immer wieder automatisch hervorgeholt, wenn die Schuld dir in irgendeiner Form im Alltag begegnet. Du bewertest dann unbewusst weiter und nimmst die Schuld direkt wahr oder projizierst die Schuld nach außen auf jemand anderen, weil du dich nicht wieder schuldig fühlen willst. Das Projizieren ist dein Abwehrmechanismus, damit du deine eigene Schuld nicht sehen und ertragen musst.
Um diese Abwehr kümmert sich dein Ego-Verstand. Dein Ego sorgt durch die Projektion nach außen dafür, dass du dich nicht schuldig fühlst. Was das Ego dir aber verschweigt, ist, dass durch die Projektion die Schuld in dir nicht verschwindet. Das Ego hat durch den Trick der Projektion deine Schuld nicht gemindert, was es dir aber weiß machen will. Die Projektion macht immer den anderen verantwortlich und in diesem kommst du nicht auf die Idee, die Lösung bei dir zu suchen. Die Schuld bleibt dir durch die vielen Projektionen erhalten und liegt als schwere Last auf deiner Seele.
Solange du die Schuld in dir nicht betrachtest, bewertest du weiter und dein Ego bleibt am Werk. Und bitte mach dir nochmal bewusst, was eigentlich geschieht. Bewerten heißt beurteilen, beurteilen heißt urteilen und urteilen heißt verurteilen! Ist dir jetzt klar, dass dein Ego mit jeder Bewertung ein Urteil fällt und dich oder jemanden anders schuldig spricht? Dass das Ego mit jedem Urteil über einen anderen, sich über ihn stellt und sogar über ihn richtet? Und das tust du unbewusst aus der Projektion und aus deiner eigenen Schuld heraus, die du dir selbst noch nicht vergeben hast. Ist das ein Spiel, das du spielen möchtest?
Wie erkennst du nun deine Schuld und kannst sie auflösen?
Jede Form von Ärger über etwas oder jemanden im Außen tarnt sich als Projektion und ist deine eigene, nicht vergebene Schuld. Die Projektion sagt, der andere ist schuld, doch in Wirklichkeit fühlst du dich noch immer schuldig. Das kann ursprünglich eine andere Form eingenommen haben, aber der Inhalt ist derselbe. Wenn du also akzeptierst, dass jeder Ärger, den du nach außen projiziert ein Schuldthema in deinem Inneren ist, hast du den ersten Schritt zur Auflösung deiner unbewussten Schuld getan. Der zweite Schritt liegt nun darin, dir deine Schuld – dies ist der erste Schritt für deine wahrgenommene Schuld – zu vergeben, denn du hast erkannt, dass es nicht die Schuld des anderen ist, sondern deine. Das heißt nicht, dass du die Aktion eines anderen gutheißen musst. Es heißt nur, dass du die Schuld in dir selbst betrachten sollst. Nur in dem du dir selbst vergibst, kannst du auch dem anderen wirklich vergeben.
Vergebung deiner Schuld heißt, dass du dein Denken über deine Schuld veränderst. Und dabei hilft dir die Achtsamkeit. Werde dir im Moment, in dem das Schuldgefühl oder der Ärger über dich oder jemand anderen in dir entsteht, des gegenwärtigen Augenblicks bewusst. Durch dieses bewusste Sein wirst du unmittelbar zum Beobachter deiner Gedanken als auch deiner Emotionen und hast dich dadurch bereits von ihnen gelöst. Als Beobachter kannst du dich nicht mit deinen Gedanken oder Emotionen identifizieren und schaffst automatisch eine gewisse Distanz zu ihnen. Da Beobachten und Bewerten nicht gleichzeitig stattfinden können, holst du mit der Beobachtung deine Gedanken in die Gegenwart und löst dich damit von deinem Ego-Verstand mit allen Gedanken und Erfahrungen aus der Vergangenheit, die zu deinem Gedankenmuster gehören. Du beginnst dann augenblicklich, die Situation vorurteilsfrei und ohne die Einflüsse und Verzerrungen deiner Vergangenheit anzunehmen. Die Situation bekommt dann eine gewisse Neutralität, so als ob du sie zum ersten Mal erlebst. In diesem Zustand der Achtsamkeit wird sich das Schuldgefühl oder auch der Ärger nach einer Weile auflösen, da du ihnen keine Energie mehr durch die Gedanken und Bewertungen aus deiner Vergangenheit gibst.
Als Beobachter kannst du nun dein intuitives Wissen – dein wahres Selbst – eine neue Deutung vornehmen lassen. Dein intuitives Wissen kommt aus deinem tiefen Inneren, nicht aus deinem Verstand. Es kennt alle Details für die neue Entscheidung, auch wenn sie dir gerade nicht bewusst zur Verfügung stehen können. Durch dein intuitives Wissen wirst du eine gerechte Deutung und Entscheidung treffen. Wenn du dein intuitives Wissen die Deutung übernehmen lässt, ohne das Ego mit einzubeziehen, hat sich deine Schuld automatisch aufgelöst.
Denk bitte ab heute daran: Wenn du die leiseste Spur von Ärger, Gereiztheit oder einen Widerstand in dir verspürst, dass du dir unverzüglich klar machst, dass dein Ego ein Urteil gefällt hat. Die Urteile des Egos können niemals gerecht sein. Und genau diese Ungerechtigkeit nimmst du im Inneren als Schuld oder Ärger wahr. Daran erkennst du gleich, dass die Bewertung nicht von deinem intuitiven Wissen kommen kann. Das ist das Signal für dich, wieder achtsam zu werden und augenblicklich in die wertfreie Beobachterrolle zu schlüpfen. In der Achtsamkeit findest du die Ruhe und Klarheit, deine Gedanken über die Situation neu zu überprüfen. Und ohne zu urteilen, vergehen nicht nur die Gefühle von Schuld und Ärger, sondern auch das Gefühl der Sorge über deine Zukunft, denn der Beobachter kennt die Zukunft nicht. Als Beobachter lebst du nur in der Gegenwart, im Jetzt.
Alles beginnt mit der achtsamen Schau nach innen. Look!nside